unverschämte Fragen・unverstellte Antworten

Dieter Birnbacher
„Die Balance ist entscheidend”

DIETER BIRNBACHER, MEDIZINETHIKER

78 JAHRE
MEDIZINETHIKER IN DÜSSELDORF

Den Eltern die letzten Monate ihres Lebens so schön wie möglich machen oder lieber knausern, damit etwas vom Erbe übrigbleibt? Keine schwere Entscheidung, meint Philosoph Dieter Birnbacher.

Darf ich bei der Unterbringung meiner Eltern geizig sein?

„Es ist ein guter Grund knauserig zu sein, wenn ich wirklich nicht viel Geld habe. Es ist aber ethisch nicht zu rechtfertigen, die Pflege der eigenen Eltern finanziell zu vernachlässigen, wenn man das Geld dafür eigentlich hätte. Ich finde es zum Beispiel nicht vertretbar, wenn sich die jüngere Generation eine teure Reise, größere Wohnung oder ein neues Auto leistet, wenn das auf Kosten der Eltern geht. Wichtig ist dabei auch die Perspektive: Wenn die Eltern nur noch eine begrenzte Lebenserwartung haben, ist es oft nicht nur vertretbar, sondern auch eher leistbar, eine teurere Unterkunft zu wählen, um ihnen die letzten Monate so angenehm wie möglich zu machen. Anders ist es zum Beispiel im Fall einer Demenzerkrankung: die Pflege kann bis zu 18 Jahren dauern, bis jemand stirbt. Das kann auf einem hohen Niveau schwieriger geleistet werden.
Entscheidend ist, dass man eine Balance findet – zwischen den Ansprüchen der Älteren und dem, was die Jüngeren sich zumuten wollen oder können. Wenn die Beziehung belastet ist, kann es allerdings passieren, dass junge Leute sich zu sehr als Opfer sehen und dadurch weniger für ihre Eltern tun, als sie eigentlich könnten.”

Protokoll: Viviane Menges


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