Damit Angelika Dornfeld sich nicht allein um ihre Mutter kümmern muss, kommt jeden Tag der Pflegedienst ins Haus. Oft fehlt den Pfleger*innen Zeit, neben dem Standard-Programm auf Wünsche einzugehen – wie den nach einem Frühstücksei.
Wird Oma schlechter versorgt, wenn ich ihre Pflegekräfte kritisiere?
„Ich schreibe dem Pflegedienst sofort eine Nachricht, wenn etwas nicht stimmt. Sonst kann sich ja nichts ändern. Das klappt auch meistens. Ich bitte zum Beispiel darum, dass die Pfleger meiner Mutter die Medikamente direkt verabreichen, anstatt sie nur hinzustellen. Sonst vergisst es meine Mutter. Einmal habe ich die Tabletten auf dem Boden gefunden, weil sie runtergefallen sind.
Man merkt schon, dass die Pfleger oft wenig Zeit haben. Deswegen versuche ich, den Pflegedienst so gut es geht zu entlasten. Ich bereite viel vor und hinterlasse Zettelchen in der Wohnung. Ich dusche meine Mutter besonders gründlich, weil ich weiß, dass die Pfleger dafür nicht viel Zeit haben. Freitags decke ich den Tisch fürs Wochenende und stelle die Eier fürs Frühstück hin. Und montags sind die rohen Eier dann wieder im Kühlschrank. Die Pfleger haben also nicht mal die Zeit, meiner Mutter ein Frühstücksei zu kochen. Das ist schon schade. Aber da sage ich dann nichts.”
Protokoll: Sophie Goldau
Wie schlimm ist der Fachkräftemangel in Brandenburg?
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist groß. Rund 42.000 Menschen arbeiten in der Pflege, rund 1.500 Stellen sind unbesetzt. Bis 2030 braucht Brandenburg 44.000 neue Pflegekräfte, weil es immer mehr Pflegebedürftige geben wird und ein großer Anteil der Fachkräfte in den Ruhestand geht. Das hat eine Studie im Auftrag des Brandenburger Sozialministeriums ergeben. Aber warum ist der Mangel so groß?
Heike Prestin ist Geschäftsführerin beim Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe Nordost und vertritt die Interessen von Pflegefachkräften in Brandenburg. Sie sagt: In Brandenburg fehle es an vielen Pflegefachkräften, weil der Bedarf in ländlichen Gebieten besonders stark steige. Sie wisse von dramatischen Situationen: “In Brandenburg gibt es Gebiete, wo es keine pflegerische Versorgung mehr gibt.” Auf den Dörfern sei die Bevölkerung besonders alt, weil viele junge Menschen weggezogen seien. Diese Menschen fehlten auch in der Pflege. Auch Claudia Gratz von der Beratungsstelle “Pflege in Not” in Potsdam sagt, dass Betroffene in Brandenburg in manchen Regionen gar keinen Pflegedienst mehr fänden. Das Problem sei aber nicht überall gleich groß. In anderen Orten hätte Pflegedienste noch Kapazitäten. Nachfrage beim Brandenburger Gesundheitsministerium: Gibt es Gebiete in Brandenburg, in denen keine Versorgung durch ambulante Pflege sichergestellt ist? Ein Sprecher des Ministeriums verweist darauf, dass die Pflege marktwirtschaftlich organisiert ist. Das berge die Gefahr, dass Pflegeangebote sich dort ansiedeln, wo es für sie wirtschaftlich attraktiv ist.
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, müsse der Beruf attraktiver werden, sagt Heike Prestin. Und zwar nicht im Hinblick auf die Löhne: “Man wird mit der Pflege zwar nicht stinkreich, aber verdient inzwischen ganz gut”, sagte sie.
Das Problem ist ihrer Meinung nach, dass Pflegefachkräfte zu wenig Verantwortung übernehmen dürfen. Wenn Pfleger*innen eigenständiger und weniger nach ärztlicher Anordnung handeln dürften, würden sie länger im Job bleiben.
Ein weiterer vielbesprochener Lösungsansatz: Fachkräfteeinwanderung aus dem Ausland. Laut Gesundheitsministerium eine unverzichtbare Lösung: “Eine flächendeckende medizinische Versorgung in Brandenburg ist ohne ausländische Kolleginnen und Kollegen mittlerweile nicht mehr vorstellbar.” Heike Prestin vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe würde aber keiner ausländischen Fachkraft empfehlen, nach Deutschland zu kommen: “Ich kenne nicht eine einzige Pflegefachperson mit internationalem Hintergrund, die in der Pflege noch nie Rassismuserfahrungen gemacht hat.” Eine Umfrage zur Integration ausländischer Pflegekräfte zeigt: Rund 43 Prozent erleben Rassismus und Diskriminierung. Laut einer Studie zu philippinischen Pflegekräften in Deutschland sind es 64 Prozent.
Das Brandenburger Gesundheitsministerium sagt dazu auf Nachfrage, dass Rassismus bundesweit ein Problem sei. Ein Sprecher verweist auf Handlungskonzepte der Landesregierung gegen Rassismus. In Brandenburg kommen nur 4,3 Prozent in der Altenpflege der Fachkräfte aus dem Ausland. Im Bundesdurchschnitt sind es 14,8 Prozent.
Laut Heike Prestin braucht es bundesweite Veränderungen im Gesundheitssystem, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Zumindest in Brandenburg sieht sie im Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten aber positive Ansätze: Der ‘Pakt für Pflege’ fördere etwa innovative Pflegekonzepte und die Ausbildung neuer Pflegefachkräfte.
Ins Detail

Von Hacke bis Nacke: Unterwegs mit einer ambulanten Pflegekraft in Brandenburg
Ein Live-Ticker von Jannis Byell