unverschämte Fragen・unverstellte Antworten

Dorothee Unger
„Gefühle sind weder gut noch schlecht”

DOROTHEE UNGER, PSYCHOLOGIN

69 JAHRE
PSYCHOLOGIN IN BERLIN

Die eigenen Eltern leiden zu sehen, ist für Kinder schwer zu ertragen. Liebe für Angehörige und die Hoffnung auf ein schnelles Ende kann gleichzeitig existieren, meint Psychologin Dorothee Unger.

Darf ich mir den Tod pflegebedürftiger Angehöriger wünschen?

„Ja, solche Gedanken darf man haben. Sie sind völlig normal. Es ist wichtig, sich klarzumachen: Gefühle passen nicht in moralische Kategorien. Sie sind weder gut noch schlecht, sondern eben einfach da. Wenn ich mir die Frage stelle, ob ich einen Gedanken zulassen darf, hatte ich ihn ja bereits. Das Einzige, was ich mich jetzt fragen sollte, ist: Woher kommt dieser Gedanke? Und was bedeutet er? Oft mischen sich hier alte Aggressionen oder unterdrückte Gefühle und es kann helfen, diese Emotionen zuzulassen und zu verarbeiten. Es ist möglich, mehrere Gefühle gleichzeitig zu haben. Ich kann hoffen, dass eine sehr belastende Situation endet und zur gleichen Zeit eine unglaublich starke Liebe zu den Pflegebedürftigen haben. Sich zu wünschen, dass sie nicht mehr leiden muss, kann am Ende sogar selbstlos sein. Ich bin die Person, die mit der Trauer leben und die Person vermissen wird.”

Protokoll: Felix Leitmeyer


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