unverschämte Fragen・unverstellte Antworten

Marion T.
„Ich bin manchmal ziemlich verzweifelt”

MARION T., ANGEHÖRIGE

72 JAHRE
RENTNERIN AUS POTSDAM

Marion T. pflegt ihren dementen Mann zu Hause und kommt immer wieder auch an ihre Grenzen. Sie schämt sich, wenn sie wütend wird – und kämpft beim Erzählen mit den Tränen.

Ich werde bei der Pflege aggressiv. Was tun?

„Ich werde manchmal wütend auf meinen Mann, wenn er böse zu mir ist. Also Schimpfwörter benutzt, die ich von ihm früher nicht kannte. Üble Schimpfwörter. Da werde ich schon manchmal ungehalten. Und dann gibt es natürlich so Situationen am Tag, wo ich zehn Mal das Gleiche sagen muss. Da werde ich auch mal ungeduldig oder böse. Da schäme ich mich dann. Weil ich weiß, dass es unnötig ist. Es hilft ja nichts, er versteht es nicht. Die Demenz bringt eben eine Wesensänderung mit sich. Aber auch wenn ich mir das rational erklären kann, ist es gefühlsmäßig schwierig. Er hat heftige Gemütsschwankungen. Dann kommt er auch mit sich selbst nicht klar und wird wütend. Ich ziehe mich dann teilweise in mein eigenes Zimmer zurück. Mal akzeptiert er das, mal nicht. Ich bin manchmal schon ziemlich verzweifelt. Meine Freundin sagt immer, ich soll in solchen Situationen versuchen das ‘weg zu atmen’. Außerdem mache ich sehr viel Sport, das hilft mir auch. Ich fahre dann zwei Stunden Rad, komme raus und bekomme den Kopf frei. Ohne den Sport würde ich verrückt werden.”

Protokoll: Pauline Pieper


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