Früher reiste sie um die Welt, um ihre Schwester zu besuchen. Jetzt ist Sigrid Bismark im Altenheim – und keiner kommt vorbei.
Pflichtbesuch im Heim – muss ich hin, obwohl ich es kaum aushalte?
„Eigene Kinder habe ich nicht. Mein Mann und ich wollten immer welche, aber es hat nicht geklappt. Mit den Kindern aus seiner ersten Ehe habe ich mich immer gut verstanden, aber leider haben wir uns aus den Augen verloren, nachdem mein Mann mit 54 verstorben ist.
Ich bekomme nur selten Besuch. Das ist aber nicht so schlimm. Ich habe hier viele Freundschaften geschlossen. Meine Nichte wohnt in Berlin. Aber so oft kann sie nicht kommen, weil sie arbeitet. Manchmal telefonieren wir. Dafür muss ich aber immer zum Empfang gehen. Deswegen hätte ich gerne ein eigenes Telefon. Sonst habe ich niemanden, der mich besuchen könnte.”
Protokoll: Sophie Goldau
Wieso werden Pflegeheime stetig teurer?
Der Preis für das Leben im Pflegeheim steigt seit Jahren. Die Pflegeversicherung beteiligt sich zwar an den Kosten für die Pflege, aber einen Teil der Pflege-, sowie die Verpflegungs- und Unterkunftskosten müssen von den Bewohner*innen selbst gezahlt werden. Das geht ins Geld: In Brandenburg liegt diese Eigenleistung laut dem Verband der Ersatzkassen im ersten Heimjahr bei durchschnittlich 2.563 Euro pro Monat, etwa 300 Euro mehr als noch 2023.
Und das, obwohl die sogenannten Entlastungszuschläge 2024 erhöht wurden. Sie bemessen sich daran, wie lange Bewohner*innen bereits im Pflegeheim leben. Im ersten Jahr bekommen Betroffene seit 2024 statt fünf Prozent nun fünfzehn Prozent Zuschuss zur Eigenleistung. Zusätzlich zahlt die Pflegeversicherung je nach Pflegegrad Zuschüsse zur Pflege. Bei Pflegegrad 2 sind es 770 Euro im Monat, bei Pflegegrad 5 dann 2.005 Euro. Betroffene und Sozialverbände kritisieren dennoch die hohen Eigenleistungen – warum ist das Leben im Heim so teuer geworden?
Inflation, steigende Energie- und Nebenkosten: Teurere Lebenshaltungskosten machen nicht vor der Tür des Pflegeheims halt. Vor allem sind aber die gestiegenen Personalkosten verantwortlich für die höheren Eigenleistungen. Ein Grund dafür: die Tariftreueregelung. Pflegeeinrichtungen müssen ihre Pflegekräfte seit September 2022 nach Tarifvertrag bezahlen. Für Pflegekräfte, die zuvor nicht nach Tarifvertrag entlohnt wurden, bedeutet diese Änderung eine Gehaltssteigerung von bis zu 30 Prozent. Pflegekräfte sollen für die wichtige Arbeit, die sie leisten anständig vergütet werden. Das sind deutliche Mehrkosten für Pflegeheimbetreibende, die an ihre Bewohner*innen weitergegeben werden.
Für immer mehr Menschen sind diese Kosten mit der Rente kaum zu leisten. Wenn das Privatvermögen – bis zu einem Schonbetrag von 10.000 Euro – nicht mehr reicht, um die Kosten zu zahlen, müssen das Haus verkauft oder Lebensversicherungen aufgelöst werden. Auch Kinder von Pflegebedürftigen müssen unter Umständen für die Kosten aufkommen. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro werden sie zur Kasse gebeten. Wenn weder Betroffene noch Kinder zahlen können, springt zusätzlich zur Pflegekasse auch die Sozialhilfe ein.
Für 2025 plant die Bundesregierung, die individuellen Zuschüsse für vollstationäre Pflege, die sich nach dem Pflegegrad der Betroffenen richtet, zu erhöhen – 4,5 Prozent wurden angekündigt.
Ins Detail

„Das Gute sehen hilft“ – Was Pflege mit der Familie macht
Die Pflege eines Elternteils bringt die Familienordnung durcheinander. Wie Familien damit umgehen können, erklärt Psychologin Dorothee Unger. Sie arbeitet seit 25 Jahren zum Thema Pflege. Von Felix Leitmeyer