unverschämte Fragen・unverstellte Antworten

Olaf Glomke
„Im echten Leben lügen wir uns auch nicht an”

OLAF GLOMKE, PFARRER UND SEELSORGER

59 JAHRE
SEELSORGER IN BRANDENBURGER PFLEGEHEIMEN

Als Seelsorger spricht Olaf Glomke viel mit dementen Menschen. Er ist überzeugt: Man sollte sie nicht anlügen, sondern sich in sie hineinversetzen.

Darf ich meine demente Oma anlügen?

„Im Pflegeheim erzählen mir manchmal Bewohner oder Bewohnerinnen, dass sie auf ihre Mutter warten würden, oder sie berichten von ihrem Schultag. Da merke ich dann, dass da zwar eine 85-jährige Person vor mir sitzt, aber irgendwo in diesem Körper ist gerade auch ein zehnjähriges Kind. Da stelle ich mir dann die Frage: Wo befindet sich die Person gerade? Was braucht sie? Offenbar denkt sie gerade an ihre Mutter, vermisst sie vielleicht.

Da muss ich nicht lügen und sagen, dass die Mutter gleich durch die Tür kommt. Im echten Leben lügen wir uns ja auch nicht an. Stattdessen steige ich in die Schuhe des Betroffenen und gehe ein Stückchen mit. Ich frage, ob sie gerade an ihre Mutter denkt? Was sie gern auf ihrem Schulbrot hatte? So kann man dann ins Gespräch kommen, das Gefühl anerkennen, ganz ohne Lüge. Im Zweifel kann man auch mal sagen: ‘Da erzählst du gerade Quatsch’ oder ‘Da verwechselst du gerade was’. Oft hilft etwas Humor, dann kommt meist auch ein Lächeln zurück und man kann zusammen lachen oder das Thema wechseln.”

Protokoll: Hannah Weber


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