Sigrid Bismark kommt gerade vom Supermarkt. Sie hat sich Schokolade gekauft, die sie mit ihren Freundinnen im Heim teilt. Sie und ihre Clique sitzen fast jeden Tag im Wintergarten und spielen „Mensch ärgere dich nicht”.
Kann ich meine Angehörigen zwingen ins Heim zu gehen?
„Ich habe es mir nicht ausgesucht, dass ich jetzt im Heim lebe. Ich bin eines Tages in meiner Wohnung umgekippt und lag dort drei Tage lang, bis meinem Nachbar auffiel, dass sich das gelieferte Mittagessen vor meiner Tür stapelte. Drei Wochen war ich im Krankenhaus und danach bei der Reha. Zuhause musste ich meine Sachen packen, dann sind wir hierhergefahren. Wer das direkt entschieden hat, weiß ich nicht, wahrscheinlich mein Betreuer. Im Prinzip wurde ich also gezwungen, es ging nicht anders. In den ersten Wochen hatte ich Heimweh. Inzwischen fühle ich mich aber wohl. Ich wüsste nur gerne, was aus der Wohnung und meinen Sachen geworden ist.”
Protokoll: Sophie Goldau
Wieso werden Pflegeheime stetig teurer?
Der Preis für das Leben im Pflegeheim steigt seit Jahren. Die Pflegeversicherung beteiligt sich zwar an den Kosten für die Pflege, aber einen Teil der Pflege-, sowie die Verpflegungs- und Unterkunftskosten müssen von den Bewohner*innen selbst gezahlt werden. Das geht ins Geld: In Brandenburg liegt diese Eigenleistung laut dem Verband der Ersatzkassen im ersten Heimjahr bei durchschnittlich 2.563 Euro pro Monat, etwa 300 Euro mehr als noch 2023.
Und das, obwohl die sogenannten Entlastungszuschläge 2024 erhöht wurden. Sie bemessen sich daran, wie lange Bewohner*innen bereits im Pflegeheim leben. Im ersten Jahr bekommen Betroffene seit 2024 statt fünf Prozent nun fünfzehn Prozent Zuschuss zur Eigenleistung. Zusätzlich zahlt die Pflegeversicherung je nach Pflegegrad Zuschüsse zur Pflege. Bei Pflegegrad 2 sind es 770 Euro im Monat, bei Pflegegrad 5 dann 2.005 Euro. Betroffene und Sozialverbände kritisieren dennoch die hohen Eigenleistungen – warum ist das Leben im Heim so teuer geworden?
Inflation, steigende Energie- und Nebenkosten: Teurere Lebenshaltungskosten machen nicht vor der Tür des Pflegeheims halt. Vor allem sind aber die gestiegenen Personalkosten verantwortlich für die höheren Eigenleistungen. Ein Grund dafür: die Tariftreueregelung. Pflegeeinrichtungen müssen ihre Pflegekräfte seit September 2022 nach Tarifvertrag bezahlen. Für Pflegekräfte, die zuvor nicht nach Tarifvertrag entlohnt wurden, bedeutet diese Änderung eine Gehaltssteigerung von bis zu 30 Prozent. Pflegekräfte sollen für die wichtige Arbeit, die sie leisten anständig vergütet werden. Das sind deutliche Mehrkosten für Pflegeheimbetreibende, die an ihre Bewohner*innen weitergegeben werden.
Für immer mehr Menschen sind diese Kosten mit der Rente kaum zu leisten. Wenn das Privatvermögen – bis zu einem Schonbetrag von 10.000 Euro – nicht mehr reicht, um die Kosten zu zahlen, müssen das Haus verkauft oder Lebensversicherungen aufgelöst werden. Auch Kinder von Pflegebedürftigen müssen unter Umständen für die Kosten aufkommen. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro werden sie zur Kasse gebeten. Wenn weder Betroffene noch Kinder zahlen können, springt zusätzlich zur Pflegekasse auch die Sozialhilfe ein.
Für 2025 plant die Bundesregierung, die individuellen Zuschüsse für vollstationäre Pflege, die sich nach dem Pflegegrad der Betroffenen richtet, zu erhöhen – 4,5 Prozent wurden angekündigt.
Ins Detail

“Wir sind nicht die Pflegepolizei”
Beleidigungen, Anschreien, Gewalt: Konfliktberaterin Claudia Gratz berät bei “Pflege in Not” in Potsdam verzweifelte Angehörige. Ein Muster, das sie bei vielen Fällen sieht: Überforderung. Von Jannis Byell