Seit vier Jahren pflegt Marion T. ihren dementen Mann zu Hause – und lässt ihn nur in Ausnahmefällen für wenige Stunden allein. Von ihren Kindern würde sie dieses Engagement nicht erwarten.
Schulde ich es meinen Angehörigen, dass ich sie persönlich pflege?
„Ich bin mit meinem Mann seit 23 Jahren verheiratet und immer davon ausgegangen, dass wir uns umeinander kümmern, wenn einer von beiden nicht mehr kann. Es heißt eben: “in guten wie in schlechten Zeiten”. Und wir haben sehr gute Zeiten gehabt. Jetzt ist es natürlich auch noch schön, aber früher haben wir tolle Reisen mit dem Rad gemacht, waren wandern. Sowas verbindet natürlich. Und da ist für mich dann die logische Folge: Wenn es dem Partner nicht mehr gut geht, dann hilft man. Von meinen Kindern würde ich aber nie erwarten, dass sie bei mir im Haushalt leben, um mich zu pflegen. Ich würde nur erwarten, dass sie mich unterstützen, etwa beim Einkaufen. Es ist nicht so, dass ich sie nicht im Haus haben will, aber ich würde diese Belastung für sie nicht wollen. Die haben ihr eigenes Leben, ihren Beruf, ihre Kinder. Und sie wohnen auch nicht hier in Potsdam. Da bräuchte es eine andere Lebenssituation. Lieber würde ich die Reißleine ziehen und ins Pflegeheim gehen.”
Protokoll: Pauline Pieper
Was bringt Brandenburgs “Pakt für Pflege”?
Um mehr Pflege zu Hause zu ermöglichen – und um langfristig Geld zu sparen, hat die Brandenburger Landesregierung 2015 eine sogenannte Pflegeoffensive auf den Weg gebracht. Seit 2020 führt die Brandenburger Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/ Die Grünen) das Förderprogramm als ‘Pakt für Pflege’ weiter.
Das Ziel: Beratungsstrukturen ausbauen und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige unterstützen, zum Beispiel mit spezialisierten Anlaufstellen, den so genannten Pflegestützpunkten, oder ehrenamtlichen Hilfsprojekten. Dafür stehen jedes Jahr rund 20 Millionen Euro zur Verfügung. Seit 2021 wurden so fast 700 Projekte initiiert.
Die bisherige Brandenburger Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen verbucht das Projekt als Erfolg: 87 Prozent der knapp 180.000 Pflegebedürftigen werden zuhause gepflegt – der bundesweit höchste Wert. 92 Prozent der kreisfreien Städte und Landkreise sagen: Der “Pakt für Pflege” habe die Situation der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen verbessert. Das zeigt eine wissenschaftliche Auswertung des Projekts, die vom Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde. Es sei für ein Flächenland wie Brandenburg aber auch nicht ungewöhnlich, dass so viele Menschen zuhause gepflegt werden, sagt Heike Prestin. Sie vertritt als Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordost die Interessen von Pflegefachkräften in Brandenburg.
Dennoch ist das Förderprogramm auch aus ihrer Sicht ein guter Ansatz, weil es die Pflege auf kommunaler Ebene stärke. Der “Pakt für Pflege” zeige, dass Brandenburg das Thema Pflege auf dem Schirm hat: “Sich selbst als Kommune verantwortlich fühlen, das ist etwas, was in Brandenburg relativ gut funktioniert im Vergleich zu anderen Bundesländern.”
Auch aus Sicht von Ulrike Kempchen ist der “Pakt für Pflege” ein Schritt in die richtige Richtung. Sie vertritt mit dem BIVA-Pflegeschutzbund die Interessen von Pflegebedürftigen in ganz Deutschland. Das Problem bei Förderprojekten wie dem “Pakt für Pflege” sei aber, dass Strukturen zwar aufgebaut, dann aber nicht weitergeführt würden. Mit Sorge blickt sie deshalb auf die sozialpolitische Zukunft – und ob auch künftige Landesregierungen das Thema Pflegeversorgung in Brandenburg als eine drängende Aufgabe ansehen.
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