Seine Ausbildung hat er in der Türkei gemacht, seit kurzem ist er auch in Deutschland anerkannter Altenpfleger: Fırat Uçar versteht, wenn Pflegebedürftige genervt von Sprachbarrieren sind.
Pflegekräfte nur mit perfektem Deutsch – ist das zu viel verlangt?
„In der Ausbildung habe ich gelernt, deutlich und in kurzen Sätzen zu sprechen, weil ältere Menschen oft nicht mehr gut hören können. Manchmal verstehen sie mich nicht sofort wegen meines Akzents, aber meistens schon. Wenn nicht, erkläre ich es nochmal langsamer oder ich frage Kollegen, ob sie mir helfen können.
Am Anfang war es eher andersherum: Ich habe die Patienten nicht verstanden. Alte Menschen sprechen undeutlicher, das ist normal. Das Problem hatte ich auch, als ich noch in der Türkei gearbeitet habe. In Deutschland ist es aber noch schwieriger, weil Deutsch nicht meine Muttersprache ist.
Ich höre so oft von den Patienten: ‘Du musst richtiges Deutsch lernen’. Das tut schon weh. Ich habe in der Türkei sechs Monate lang Deutsch gelernt. Seit einem Jahr lebe ich hier. Es ist eine schwere Sprache. Und man muss viel üben, um besser zu werden. Aber es wird jeden Tag besser. Und die Patienten haben es sowieso nicht leicht. Und wenn man sie dann nicht versteht, sind sie noch gestresster.
Mit meinen Kollegen habe ich keine Probleme. Aber ein Bekannter, der auch als Pfleger arbeitet, hat erzählt, dass jemand in einer Teambesprechung gesagt hat: ‘Wir sind keine Deutschlehrer, wir sind Pfleger’. Und dass sie deswegen keine Ausländer mehr holen wollen. Irgendwo kann ich das sogar verstehen.”
Protokoll: Sophie Goldau
Wie schlimm ist der Fachkräftemangel in Brandenburg?
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist groß. Rund 42.000 Menschen arbeiten in der Pflege, rund 1.500 Stellen sind unbesetzt. Bis 2030 braucht Brandenburg 44.000 neue Pflegekräfte, weil es immer mehr Pflegebedürftige geben wird und ein großer Anteil der Fachkräfte in den Ruhestand geht. Das hat eine Studie im Auftrag des Brandenburger Sozialministeriums ergeben. Aber warum ist der Mangel so groß?
Heike Prestin ist Geschäftsführerin beim Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe Nordost und vertritt die Interessen von Pflegefachkräften in Brandenburg. Sie sagt: In Brandenburg fehle es an vielen Pflegefachkräften, weil der Bedarf in ländlichen Gebieten besonders stark steige. Sie wisse von dramatischen Situationen: “In Brandenburg gibt es Gebiete, wo es keine pflegerische Versorgung mehr gibt.” Auf den Dörfern sei die Bevölkerung besonders alt, weil viele junge Menschen weggezogen seien. Diese Menschen fehlten auch in der Pflege. Auch Claudia Gratz von der Beratungsstelle “Pflege in Not” in Potsdam sagt, dass Betroffene in Brandenburg in manchen Regionen gar keinen Pflegedienst mehr fänden. Das Problem sei aber nicht überall gleich groß. In anderen Orten hätte Pflegedienste noch Kapazitäten. Nachfrage beim Brandenburger Gesundheitsministerium: Gibt es Gebiete in Brandenburg, in denen keine Versorgung durch ambulante Pflege sichergestellt ist? Ein Sprecher des Ministeriums verweist darauf, dass die Pflege marktwirtschaftlich organisiert ist. Das berge die Gefahr, dass Pflegeangebote sich dort ansiedeln, wo es für sie wirtschaftlich attraktiv ist.
Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, müsse der Beruf attraktiver werden, sagt Heike Prestin. Und zwar nicht im Hinblick auf die Löhne: “Man wird mit der Pflege zwar nicht stinkreich, aber verdient inzwischen ganz gut”, sagte sie.
Das Problem ist ihrer Meinung nach, dass Pflegefachkräfte zu wenig Verantwortung übernehmen dürfen. Wenn Pfleger*innen eigenständiger und weniger nach ärztlicher Anordnung handeln dürften, würden sie länger im Job bleiben.
Ein weiterer vielbesprochener Lösungsansatz: Fachkräfteeinwanderung aus dem Ausland. Laut Gesundheitsministerium eine unverzichtbare Lösung: “Eine flächendeckende medizinische Versorgung in Brandenburg ist ohne ausländische Kolleginnen und Kollegen mittlerweile nicht mehr vorstellbar.” Heike Prestin vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe würde aber keiner ausländischen Fachkraft empfehlen, nach Deutschland zu kommen: “Ich kenne nicht eine einzige Pflegefachperson mit internationalem Hintergrund, die in der Pflege noch nie Rassismuserfahrungen gemacht hat.” Eine Umfrage zur Integration ausländischer Pflegekräfte zeigt: Rund 43 Prozent erleben Rassismus und Diskriminierung. Laut einer Studie zu philippinischen Pflegekräften in Deutschland sind es 64 Prozent.
Das Brandenburger Gesundheitsministerium sagt dazu auf Nachfrage, dass Rassismus bundesweit ein Problem sei. Ein Sprecher verweist auf Handlungskonzepte der Landesregierung gegen Rassismus. In Brandenburg kommen nur 4,3 Prozent in der Altenpflege der Fachkräfte aus dem Ausland. Im Bundesdurchschnitt sind es 14,8 Prozent.
Laut Heike Prestin braucht es bundesweite Veränderungen im Gesundheitssystem, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Zumindest in Brandenburg sieht sie im Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten aber positive Ansätze: Der ‘Pakt für Pflege’ fördere etwa innovative Pflegekonzepte und die Ausbildung neuer Pflegefachkräfte.
Ins Detail

Pflege in Brandenburg – Die Zahlen zu den Menschen
Von den Zahlen zu den Strukturen, die das Pflegesystem tragen: Ein Blick auf die Lage der Pflege in Brandenburg. Von Sophie Goldau und Felix Leitmeyer