Stefanie Erdrich und ihre Mitarbeitenden gehen mit Menschen einkaufen, helfen ihnen im Haushalt oder begleiten sie ins Museum. Sie sagt: Viele Menschen sind zu eitel, um sich rechtzeitig Hilfe zu holen.
Soll sich meine Mama gebrechlicher stellen, wenn der Medizinische Dienst kommt?
„Tatsächlich höre ich eher vom Gegenteil: Betroffene erzählen dem Medizinischen Dienst, sie könnten noch kochen, putzen und sich die Haare waschen, obwohl sie dabei eigentlich längst Hilfe von ihren Angehörigen bekommen. Nach solchen Gesprächen erzählen mir pflegende Angehörige, dass sie das Gespräch unterbrochen hätten, um klarzustellen: “Das stimmt doch gar nicht, dabei helfe ich dir doch längst!” Nein, Sie sollten Ihrer Mutter lieber sagen, dass sie ehrlich sagen soll, was sie wirklich nicht mehr kann. Es gibt Menschen, die hätten einen höheren Pflegegrad, wenn sie nur ehrlich mit sich selbst und dem Medizinischen Dienst wären.
Eine Klientin hat mir mal gesagt, dass sie doch ihr ganzes Leben gearbeitet hat und jetzt nicht um Pflegegeld betteln will. Aber mit Betteln hat das gar nichts zu tun! Pflegegeld ist eine Leistung, die allen zusteht und die es ermöglicht, länger zuhause wohnen zu können.”
Protokoll: Hannah Weber
Was sind eigentlich die sogenannten Pflegegrade?
Menschen, die Pflege benötigen, können einen Pflegegrad beantragen. Mit einem Pflegegrad haben Betroffene Anspruch auf bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung. Es gibt fünf Grade. Je höher der Grad, desto mehr Unterstützung braucht die Person – und desto mehr Ansprüche auf Pflegeleistungen und/oder Pflegegeld hat sie.
Wie pflegebedürftig jemand ist, schätzt der Medizinische Dienst der Krankenkassen ein. Einen Termin mit dem Medizinischen Dienst müssen die Betroffenen beantragen. Zur Begutachtung gibt es ein Punktesystem. Die Gutachter*innen bewerten verschiedene Bereiche wie Beweglichkeit, geistige Fähigkeiten, Selbstversorgung und Alltagsgestaltung. Die Gesamtpunktzahl bestimmt den Pflegegrad. Für Kleinkinder und Menschen mit Demenz gibt es besondere Regelungen bei der Einstufung.
Das System der Pflegegrade wurde 2017 eingeführt. Es ersetzt die früheren drei Pflegestufen.
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