Wenn Menschen ihre Eltern pflegen, geben sie oft ihr eigenes Leben dafür auf. Gründemann rät dazu, die Arbeit den Profis zu überlassen.
Muss ich zurück zu meinen Eltern ziehen, wenn sie pflegebedürftig werden?
„Nein! Klingt jetzt hart, aber die meisten opfern sich dann so auf, dass sie selbst zum Pflegefall werden. In Brandenburg gibt es überall ambulante Pflegedienste, die die Pflege oft viel besser hinbekommen als die Angehörigen selbst. Ich sehe so viele Angehörige, die in ihre Kinderzimmer zurückziehen, um ihre Eltern zu pflegen. Das endet oft in einer Katastrophe. Viele kündigen ihren Job, ihr eigentliches Leben und machen nichts anderes mehr als ihre Eltern zu pflegen. Und die Pflege an den Angehörigen ist dann oft hochemotional und höchst unprofessionell. Pflege ist nicht umsonst ein Ausbildungsberuf, das unterschätzen leider viele.”
Protokoll: Jannis Byell
Was bringt Brandenburgs “Pakt für Pflege”?
Um mehr Pflege zu Hause zu ermöglichen – und um langfristig Geld zu sparen, hat die Brandenburger Landesregierung 2015 eine sogenannte Pflegeoffensive auf den Weg gebracht. Seit 2020 führt die Brandenburger Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/ Die Grünen) das Förderprogramm als ‘Pakt für Pflege’ weiter.
Das Ziel: Beratungsstrukturen ausbauen und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige unterstützen, zum Beispiel mit spezialisierten Anlaufstellen, den so genannten Pflegestützpunkten, oder ehrenamtlichen Hilfsprojekten. Dafür stehen jedes Jahr rund 20 Millionen Euro zur Verfügung. Seit 2021 wurden so fast 700 Projekte initiiert.
Die bisherige Brandenburger Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen verbucht das Projekt als Erfolg: 87 Prozent der knapp 180.000 Pflegebedürftigen werden zuhause gepflegt – der bundesweit höchste Wert. 92 Prozent der kreisfreien Städte und Landkreise sagen: Der “Pakt für Pflege” habe die Situation der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen verbessert. Das zeigt eine wissenschaftliche Auswertung des Projekts, die vom Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde. Es sei für ein Flächenland wie Brandenburg aber auch nicht ungewöhnlich, dass so viele Menschen zuhause gepflegt werden, sagt Heike Prestin. Sie vertritt als Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordost die Interessen von Pflegefachkräften in Brandenburg.
Dennoch ist das Förderprogramm auch aus ihrer Sicht ein guter Ansatz, weil es die Pflege auf kommunaler Ebene stärke. Der “Pakt für Pflege” zeige, dass Brandenburg das Thema Pflege auf dem Schirm hat: “Sich selbst als Kommune verantwortlich fühlen, das ist etwas, was in Brandenburg relativ gut funktioniert im Vergleich zu anderen Bundesländern.”
Auch aus Sicht von Ulrike Kempchen ist der “Pakt für Pflege” ein Schritt in die richtige Richtung. Sie vertritt mit dem BIVA-Pflegeschutzbund die Interessen von Pflegebedürftigen in ganz Deutschland. Das Problem bei Förderprojekten wie dem “Pakt für Pflege” sei aber, dass Strukturen zwar aufgebaut, dann aber nicht weitergeführt würden. Mit Sorge blickt sie deshalb auf die sozialpolitische Zukunft – und ob auch künftige Landesregierungen das Thema Pflegeversorgung in Brandenburg als eine drängende Aufgabe ansehen.
Ins Detail

Pflege in Brandenburg – Die Zahlen zu den Menschen
Von den Zahlen zu den Strukturen, die das Pflegesystem tragen: Ein Blick auf die Lage der Pflege in Brandenburg. Von Sophie Goldau und Felix Leitmeyer