Hausbesuche, Sprechstunden, einen Platz in der Senioren-WG finden: Katja Wendland ist als Pflegeberaterin unterwegs. Sie sagt: Selbstbestimmung, ja. Verwahrlosung, nein.
Kann ich meine Angehörigen zwingen ins Heim zu gehen?
„Solange jemand bei klarem Verstand ist, darf ich ihn nicht zwingen, in ein Heim zu gehen. Bei den Betreuungsbehörden und dem sozialpsychiatrischen Dienst heißt es dann immer: Es gibt ein Recht auf Verwahrlosung. Ich sehe das etwas anders: Ich denke, kein Mensch will aus eigenem Antrieb verwahrlosen. Wenn Angehörige merken, dass die Eltern zu Hause nicht mehr klarkommen, sollten sie das ansprechen und sagen: ‘Ich bin da, um euch zu helfen.’ Das kann schwierig sein, weil sich das Rollenverhältnis umkehrt: Ich als Kind sage den Eltern, was sie machen sollen. Das war das ganze Leben lang umgekehrt. Es ist wichtig zu wissen, dass das Heim nicht die einzige Option ist. Viele Menschen denken: entweder zu Hause oder ins Heim. Aber das stimmt nicht. Man kann vielfältige Unterstützung in Form von ambulanter Hilfe bekommen. Und wer durch den ambulanten Pflegedienst schon gewohnt ist, dass mal eine fremde Person kommt, dem fällt später der Schritt ins Heim auch leichter.”
Protokoll: Pauline Pieper
Wieso werden Pflegeheime stetig teurer?
Der Preis für das Leben im Pflegeheim steigt seit Jahren. Die Pflegeversicherung beteiligt sich zwar an den Kosten für die Pflege, aber einen Teil der Pflege-, sowie die Verpflegungs- und Unterkunftskosten müssen von den Bewohner*innen selbst gezahlt werden. Das geht ins Geld: In Brandenburg liegt diese Eigenleistung laut dem Verband der Ersatzkassen im ersten Heimjahr bei durchschnittlich 2.563 Euro pro Monat, etwa 300 Euro mehr als noch 2023.
Und das, obwohl die sogenannten Entlastungszuschläge 2024 erhöht wurden. Sie bemessen sich daran, wie lange Bewohner*innen bereits im Pflegeheim leben. Im ersten Jahr bekommen Betroffene seit 2024 statt fünf Prozent nun fünfzehn Prozent Zuschuss zur Eigenleistung. Zusätzlich zahlt die Pflegeversicherung je nach Pflegegrad Zuschüsse zur Pflege. Bei Pflegegrad 2 sind es 770 Euro im Monat, bei Pflegegrad 5 dann 2.005 Euro. Betroffene und Sozialverbände kritisieren dennoch die hohen Eigenleistungen – warum ist das Leben im Heim so teuer geworden?
Inflation, steigende Energie- und Nebenkosten: Teurere Lebenshaltungskosten machen nicht vor der Tür des Pflegeheims halt. Vor allem sind aber die gestiegenen Personalkosten verantwortlich für die höheren Eigenleistungen. Ein Grund dafür: die Tariftreueregelung. Pflegeeinrichtungen müssen ihre Pflegekräfte seit September 2022 nach Tarifvertrag bezahlen. Für Pflegekräfte, die zuvor nicht nach Tarifvertrag entlohnt wurden, bedeutet diese Änderung eine Gehaltssteigerung von bis zu 30 Prozent. Pflegekräfte sollen für die wichtige Arbeit, die sie leisten anständig vergütet werden. Das sind deutliche Mehrkosten für Pflegeheimbetreibende, die an ihre Bewohner*innen weitergegeben werden.
Für immer mehr Menschen sind diese Kosten mit der Rente kaum zu leisten. Wenn das Privatvermögen – bis zu einem Schonbetrag von 10.000 Euro – nicht mehr reicht, um die Kosten zu zahlen, müssen das Haus verkauft oder Lebensversicherungen aufgelöst werden. Auch Kinder von Pflegebedürftigen müssen unter Umständen für die Kosten aufkommen. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro werden sie zur Kasse gebeten. Wenn weder Betroffene noch Kinder zahlen können, springt zusätzlich zur Pflegekasse auch die Sozialhilfe ein.
Für 2025 plant die Bundesregierung, die individuellen Zuschüsse für vollstationäre Pflege, die sich nach dem Pflegegrad der Betroffenen richtet, zu erhöhen – 4,5 Prozent wurden angekündigt.
Ins Detail

“Wir sind nicht die Pflegepolizei”
Beleidigungen, Anschreien, Gewalt: Konfliktberaterin Claudia Gratz berät bei “Pflege in Not” in Potsdam verzweifelte Angehörige. Ein Muster, das sie bei vielen Fällen sieht: Überforderung. Von Jannis Byell