unverschämte Fragen・unverstellte Antworten

Manuela Martin-Pellny
„Es ist ungewohnt, an sich selbst zu denken”

MANUELA MARTIN-PELLNY, PFLEGEKOORDINATORIN

54 JAHRE
PFLEGEKOORDINATORIN IM LANDKREIS DAHME-SPREEWALD

Wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird, kümmert sich oft der andere – bis zur Erschöpfung. Wie man in solchen Situationen als Sohn oder Tochter unterstützen kann, weiß Pflegeberaterin Manuela Martin-Pellny.

Mama kann sich nicht mehr kümmern, sieht es aber nicht ein. Ist es ok, Papa trotzdem ins Heim zu geben?

„Es kann helfen ein Angebot zu machen. Wenn ich als Kind sehe, dass die Mama sich für den Papa richtig aufreibt, sollte ich sagen: Ich mache mir Sorgen um dich. Ich würde dich gerne unterstützen. Was kann ich dir abnehmen? Vielleicht einkaufen gehen, also Kleinigkeiten übernehmen. Dann hat die Mutter nicht das Gefühl, dass sie um Hilfe bettelt oder zugeben muss, dass sie nicht mehr kann.
Oft merken die pflegenden Partner eigentlich schon, dass sie an ihre Grenzen kommen. Sie können zum Beispiel nicht mehr schlafen. Sie reden aber nicht darüber, weil sie nicht als schwach dastehen wollen. ‘In guten wie in schlechten Zeiten, das halten wir alles aus’, und so weiter.
Wenn ich in Beratungen sehe, dass die Mutter mit der Pflege des Vaters überfordert ist, rate ich den Kindern, Zeit mit der Mutter zu verbringen. Dabei sollten sie ihr nicht das Gefühl geben, nur ihre Schwächen zu sehen. Es geht darum, Wertschätzung zu zeigen. Für viele pflegende Partner ist es ungewohnt, mal wieder an sich selbst zu denken.
Es ist aber schon besonders, wenn die Kinder das überhaupt merken. Oft ist es eher das Problem, dass die Kinder weggucken, solange die Eltern sich noch umeinander kümmern und einigermaßen zurechtkommen. Wenn dann einer plötzlich ins Krankenhaus muss, fällt auf: Oh Gott, hier geht gar nichts mehr. Es ist wichtig, dass die Kinder die Probleme früh genug sehen und Unterstützung anbieten.”

Protokoll: Pauline Pieper


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