Wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird, kümmert sich oft der andere – bis zur Erschöpfung. Wie man in solchen Situationen als Sohn oder Tochter unterstützen kann, weiß Pflegeberaterin Manuela Martin-Pellny.
Mama kann sich nicht mehr kümmern, sieht es aber nicht ein. Ist es ok, Papa trotzdem ins Heim zu geben?
„Es kann helfen ein Angebot zu machen. Wenn ich als Kind sehe, dass die Mama sich für den Papa richtig aufreibt, sollte ich sagen: Ich mache mir Sorgen um dich. Ich würde dich gerne unterstützen. Was kann ich dir abnehmen? Vielleicht einkaufen gehen, also Kleinigkeiten übernehmen. Dann hat die Mutter nicht das Gefühl, dass sie um Hilfe bettelt oder zugeben muss, dass sie nicht mehr kann.
Oft merken die pflegenden Partner eigentlich schon, dass sie an ihre Grenzen kommen. Sie können zum Beispiel nicht mehr schlafen. Sie reden aber nicht darüber, weil sie nicht als schwach dastehen wollen. ‘In guten wie in schlechten Zeiten, das halten wir alles aus’, und so weiter.
Wenn ich in Beratungen sehe, dass die Mutter mit der Pflege des Vaters überfordert ist, rate ich den Kindern, Zeit mit der Mutter zu verbringen. Dabei sollten sie ihr nicht das Gefühl geben, nur ihre Schwächen zu sehen. Es geht darum, Wertschätzung zu zeigen. Für viele pflegende Partner ist es ungewohnt, mal wieder an sich selbst zu denken.
Es ist aber schon besonders, wenn die Kinder das überhaupt merken. Oft ist es eher das Problem, dass die Kinder weggucken, solange die Eltern sich noch umeinander kümmern und einigermaßen zurechtkommen. Wenn dann einer plötzlich ins Krankenhaus muss, fällt auf: Oh Gott, hier geht gar nichts mehr. Es ist wichtig, dass die Kinder die Probleme früh genug sehen und Unterstützung anbieten.”
Protokoll: Pauline Pieper
Was bringt Brandenburgs “Pakt für Pflege”?
Um mehr Pflege zu Hause zu ermöglichen – und um langfristig Geld zu sparen, hat die Brandenburger Landesregierung 2015 eine sogenannte Pflegeoffensive auf den Weg gebracht. Seit 2020 führt die Brandenburger Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/ Die Grünen) das Förderprogramm als ‘Pakt für Pflege’ weiter.
Das Ziel: Beratungsstrukturen ausbauen und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige unterstützen, zum Beispiel mit spezialisierten Anlaufstellen, den so genannten Pflegestützpunkten, oder ehrenamtlichen Hilfsprojekten. Dafür stehen jedes Jahr rund 20 Millionen Euro zur Verfügung. Seit 2021 wurden so fast 700 Projekte initiiert.
Die bisherige Brandenburger Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen verbucht das Projekt als Erfolg: 87 Prozent der knapp 180.000 Pflegebedürftigen werden zuhause gepflegt – der bundesweit höchste Wert. 92 Prozent der kreisfreien Städte und Landkreise sagen: Der “Pakt für Pflege” habe die Situation der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen verbessert. Das zeigt eine wissenschaftliche Auswertung des Projekts, die vom Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde. Es sei für ein Flächenland wie Brandenburg aber auch nicht ungewöhnlich, dass so viele Menschen zuhause gepflegt werden, sagt Heike Prestin. Sie vertritt als Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordost die Interessen von Pflegefachkräften in Brandenburg.
Dennoch ist das Förderprogramm auch aus ihrer Sicht ein guter Ansatz, weil es die Pflege auf kommunaler Ebene stärke. Der “Pakt für Pflege” zeige, dass Brandenburg das Thema Pflege auf dem Schirm hat: “Sich selbst als Kommune verantwortlich fühlen, das ist etwas, was in Brandenburg relativ gut funktioniert im Vergleich zu anderen Bundesländern.”
Auch aus Sicht von Ulrike Kempchen ist der “Pakt für Pflege” ein Schritt in die richtige Richtung. Sie vertritt mit dem BIVA-Pflegeschutzbund die Interessen von Pflegebedürftigen in ganz Deutschland. Das Problem bei Förderprojekten wie dem “Pakt für Pflege” sei aber, dass Strukturen zwar aufgebaut, dann aber nicht weitergeführt würden. Mit Sorge blickt sie deshalb auf die sozialpolitische Zukunft – und ob auch künftige Landesregierungen das Thema Pflegeversorgung in Brandenburg als eine drängende Aufgabe ansehen.
Ins Detail

“Wir sind nicht die Pflegepolizei”
Beleidigungen, Anschreien, Gewalt: Konfliktberaterin Claudia Gratz berät bei “Pflege in Not” in Potsdam verzweifelte Angehörige. Ein Muster, das sie bei vielen Fällen sieht: Überforderung. Von Jannis Byell